14.07.2022, von André Zobel, Daniel Hofmann

Ein Jahr nach der Flut - Erinnerungen eines Kammeraden

Suhl. Es ist eine der schlimmsten Naturkatastrophen, die Deutschland je erlebt hat: das Unwetter Mitte Juli 2021. Für das Technische Hilfswerk (THW) folgte der größte Einsatz in seiner mehr als 70-jährigen Geschichte. Über mehrere Monate leisten die Helferinnen und Helfer des THW rund 2,6 Millionen Einsatzstunden in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Sachsen. Rund 17.000 Einsatzkräften aus allen 668 THW-Ortverbänden waren im Einsatz – und somit auch der Ortsverband Suhl. Zugtruppführer André Zobel beschreibt seine Erinnerungen an diesen Einsatz.

Es ist nun ein Jahr her, dass ich mit meinem Fahrrad einen kleinen Urlaubsausflug nach Frankreich unternommen habe. Auf dem Weg zwischen Strassbourg und Freiburg (Breisgau) hat dann mein Handy geklingelt und mich etwas mit den heftigen Nachrichten des Starkregenereignisses überrascht. Naja, meine "Campingausrüstung" hatte ich an Board und die THW-Klamotten bringen die Kamerad*innen aus Suhl mit. Treffpunkt in Frankfurt ausgemacht und sichergestellt, dass auch mein Rad einen Platz im Fahrzeug findet und schon konnte es losgehen. Ziel: Bereitstellungsraum Nürburgring.

Zuerst ist die Euphorie groß, Einsatz ist immer spannend. Die Informationslage im Einsatzauftrag ist recht karg. Das Hörensagen aus den Medien und von den ersten Einheiten vor Ort überwiegt. Beim nächtlichen Eintreffen am Bereitstellungsraum ist das Aufgebot an Fahrzeugen und vor allem die Diversität der Rettungskräfte bis hin zur Bundeswehr eindrucksvoll. Die Wartezeit im Bereitstellungsraum am kommenden Morgen lies uns Zeit zum Grübeln und Mutmaßen: "Warum fliegen hier 5 Tage nach dem Ereignis noch immer mittelschwere Transporthubschrauber der Bundeswehr im Minutentakt u. a. palettenweise Trinkwasser?"

In das Schadensgebiet verlegen wir erst am späten Nachmittag, eine weitere Stunde Anfahrt. Für mich war nach einer kurzen Anmeldung an der Untereinsatzabschnittsleitung (UEAL) in Kahlenborn der Auftrag die Unterkunft für die kommende Woche einzurichten. Ich hatte als noch immer keinen Eindruck vom Schadensereignis. Die gelegentlichen Anrufe zur Abstimmung mit meinem sehr erfahren Gruppenführer, der bereits mit dem Rest unserer Fachgruppe Notversorgung und Notinstandsetzung an der Einsatzstelle ist, ließen mich sein schiere Fassungslosigkeit erkennen. 

Es ist vielleicht 1 Uhr in der Nacht. Die Unterkunft ist eingerichtet, eine Multifunktionshalle, super! Die Teileinheit vor Ort braucht noch etwas Unterstützung auf den letzten Metern. Jetzt geht es nach Kreuzberg im Ahrtal. Im Scheinwerferlicht vor uns eine schmale Staubpiste mit einer Gasse aus Treibgut und Trümmern. Das hat nichts mit dem Hochwasser zu tun, das ich von der Elbe kenne. Es lässt sich in der Dunkelheit nur erahnen, was hier passiert sein könnte und das reicht schon, um aus den gelernten Denk- und Handlungsprozessen gerissen zu werden. Die Ortschaft ist fast wie leer gefegt. Wir sind die letzte Einheit vor Ort. Es ist eine fast idyllische Ruhe als ich mit meinem Gruppenführer an dem Rinnsal des Sahrbachs stehe, der mir an dieser Stelle vor einigen Tagen noch weit über den Kopf gereicht hätte und er mir ein Update gibt.

Doch erst am nächsten Tag bekomme ich mit geballter Wucht gezeigt, was bisher nicht zu sehen war: ein einziges, riesiges Trümmerfeld von Altenahr über Altenburg bis nach Kreuzburg und auch das ist nur ein kleiner Ausschnitt. Ich kenne die Wassermarken an den Häuser, ich habe die Verklausungen an den Brücken gesehen, ich habe erzählt bekommen, das da an dieser Stelle einst Häuser standen. Ich kann mir bis heute nur schwer vorstellen, wie das Regenwasser durch die Straßen geschossen ist. Damit meine ich vorwiegend meine Gefühle, wenn ich mich zurückerinnere. Auf einer rein technisch-physikalischen Ebene habe ich ein gutes Verständnis über die Zusammenhänge aus Regen, Abfluss und Strömungsdynamiken in dem engen Ahrtal.

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